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Das Beste, was in einer Pinzette stecken kann 60 Jahre Rubis

Eigentlich, so möchte man im ersten Moment meinen, sind Pinzetten doch ziemlich banale Werkzeuge. Eben notwendig, um mit kleinen, feinen Dingen zu hantieren, die sich mit blossen Händen nicht mehr gut greifen lassen. Warum also solle man sich weiter damit beschäftigen? Nun, mit ein bisschen Nachdenken lässt sich schnell erkennen, dass unsere Welt ohne dieses ach so banalen Instrumente einfach nicht so wäre, wie sie ist. Pinzetten werden gebraucht: in der Feinmechanik - man denke nur an die Uhrenherstellung -, in der Halbleiterindustrie, ohne die es weder Computer noch Handys gäbe, in der Elektronik, der Biotechnologie, der Medizin und nicht zuletzt in der Kosmetik und bei der Körperpflege - um nur diese Beispiele zu nennen. Also doch nicht banal? Im Prinzip, so viel ist richtig, sind Pinzetten einfache Werkzeuge. Entscheidend für ihre Qualität und Nützlichkeite ist die Präzision. Und die zu erzielen, ist alles andere als banal. Die Welt der Pinzetten ist eine Welt, in der kleinste Veränderungen einen grossen Unterschied ausmachen. Die Ansprüche, die Präzisionspinzetten erfüllen müssen, um ihrem jeweiligen Zweck zu dienen, sind in den letzten Jahrzehnten nicht nur gewachsen, sondern auch vielfältiger geworden. All dies spiegelt sich in hervorragender Weise in der Geschichte eines Unternehmens, das vor exakt 60 Jahren gegründet wurde und heute - zumindest in den Sparten, in denen es tätig ist - die wahrscheinlich weltbesten Pinzetten produziert: die Outils Rubis. 

Die Geschichte von Rubis ist gleich auf mehreren Ebenen spannend
Weil sie einen Einblick in die Entwicklung von Präzisionswerkzeugen bietet, weil sie seit über drei Jahrzehnten mit einer bemerkenswerten Unternehmerinnen-Persönlichkeit verbunden ist, weil sie beispielhaft zeigt, wie ein gelungener Markenaufbau aussieht und wie sich industrielle Produktion im Hochlohnland Schweiz halten lässt und nicht zuletzt, weil sich anhand der Pinzetten eine der grossen, zentralen Frage der Gestaltung thematisieren lässt, die Frage nach dem Verhältnis von technischen Anforderungen und Gestaltung, von Zweck und Form, Funktion und Ästhetik.

Präzisionspinzetten für die Uhrenindustrie
Die Gründer der Outils Rubis SA stammten aus der Romandie. Sie verstanden sich auf das Handwerk der Pinzettenherstellung und waren, wohl aus gesundheitlichen Gründen, ins klimatisch freundlichere Tessin gezogen waren. Hier, genauer gesagt in Stabio, dem südlichsten Winkel der Schweiz, richteten sie 1961 ein Unternehmen zur Produktion von Präzisionspinzetten ein. Zu ihren Kunden zählten vor allem die noblen Schweizer Uhrenmanufakturen, die diese Instrumente zur Fertigung ihrer mechanischen Werke nutzten. Das erklärt auch den Namen Rubis - er bezieht sich auf die Rubine, die man mit Hilfe feinster Pinzetten als Lagersteine in hochwertige Uhrwerke einsetzt. Der Absatz des jungen Unternehmens schien gesichert - in den 1960er Jahren boomte die Uhrenindustrie. Dessen ungeachtet kam es bereits Mitte der 1960er Jahre zu einem Besitzerwechsel. Paul Baldesberger, ein deutschschweizer Geschäftsmann übernahm die Aktienmehrheit der Firma. Für Baldesberger, der noch vor dem Weltkrieg nach Asien gegangen war und dort zu Wohlstand kam, war das Engagement bei Rubis ein Investment unter anderen. Als Unternehmer ist er hier nie tätig geworden. Die operative Leitung delegierte er an einen Geschäftsführer. Nur ein paar Mal im Jahr reiste er ins Tessin, um nach dem Rechten zu schauen.

Das ging lange gut. Als die Schweizer Uhrenindustrie in den 1970er -Jahren in die Krise geriet, gelang es Rubis, sich in der aufstrebenden Halbleiter-Industrie der USA einen neuen Markt zu erschliessen, der das Überleben des Unternehmens vorerst absicherte. Als aber Baldesberger 1981 verstarbt, war die Lage prekär geworden. Die einseitige Abhängigkeit vom amerikanischen Markt wurde angesichts einer anhaltenden Dollarschwäche und der einsetzenden Abwanderung der Halbleiterproduktion nach Asien zu einer ernsten Gefahr für den Fortbestand von Rubis. Hinzu kamen ein veralteter Maschinenpark und unzulängliche Betriebsräume.

Die Ă„ra Fides Baldesberger
In diesem kritischen Moment trat eine junge Frau ins Bild, die im Pinzettengeschäft völlig fremd und als Unternehmerin gänzlich unerfahren war: Fides Baldesberger wurde zur Besitzerin von Rubis. Das Unternehmen war ein Teil des väterlichen Erbes. Sie hatte zuvor Kunstgeschichte in Genf und Gemmologie in den USA studiert. Als Gemmologin arbeitete sie anschliessend in Genf und an der Diamantenbörse von Antwerpen. Alles interessant und ehrenwert, aber was sollte das nützen, wenn es galt, sich um eine kriselnden Pinzetten-Firma zu kümmern? In dieser Situation gab es drei Optionen: 1. Alles weiter laufen lassen wie bisher und hoffen, dass es irgendwie gut geht. 2. Das Unternehmen möglichst schnell verkaufen. 3. Die Firma selbst in die Hand nehmen. Wer hätte ihr davon nicht abgeraten? Fides Baldesberger aber entschied sich wagemutig genau dafür. Zügig und voller Engagement arbeitete sie sich in die Materie ein. 1984 übernahm sie die Firma. Ein Jahr später wurde sie Geschäftsführerin, 1987 auch Verwaltungsratspräsidentin. Und wiederum nur ein Jahr später, 1988, erhielt sie den Veuve Clicquot-Preis als Unternehmerin des Jahres!

Mit viel Fleiss und Hartnäckigkeit, dank einer schnellen Auffassungsgabe und einer hellsichtigen Problem-Analyse sowie auf Grundlage einer Reihe von klugen Entscheidungen war es Fides Baldesberger gelungen, ihr Unternehmen wieder zukunftsfähig zu machen. Wahrscheinlich, so meint sie heute, habe sie schon etwas vom Unternehmertalent ihres Vaters mitbekommen. Sie reorganisierte Produktion und Verwaltung, sie reiste nach Asien, um Geschäftskontakte mit der dort schnell wachsenden Halbleiterindustrie zu knüpfen und die einseitige Abhängigkeit von den USA-Exporten zu beenden. Die Diversifizierung der Absatzmärkte war ein richtiger und wichtiger Schritt. Als noch folgenreicher aber sollte sich eine andere Entscheidung erweisen: Die Idee, in den Kosmetikmarkt einzusteigen. So verschaffte sie dem Unternehmen ein zweites, weniger konjunkturanfälliges Standbein. Zugleich konnte sie damit beginnen, einen Brand zu kreieren.

Aus heutiger Perspektive betrachtet, scheint dieser Entschluss naheliegend und fast zwingend logisch. Warum sollte man das Know-how bei der Herstellung von Präzisionspinzetten nicht auch in einem Bereich nutzbar machen, in dem es zwar, wie Baldesberger als Frau genau wusste, einen großen Bedarf gibt, aber praktisch keine Qualitätsprodukte? Freilich, leichter gesagt als getan. Ein gutes Produkt allein garantiert noch lange nicht den Erfolg auf dem Markt. Man muss erst einmal hineinkommen in diesen Markt, um die Premium-Pinzetten an die Frau zu bringen. Und da hat niemand auf diese neue Anbieterin aus der Schweiz gewartet!

Es war ein langer und schwieriger Weg zum Erfolg
Neue, attraktive Produkte mussten entwickelt und gestaltet, eine neue Marke aufgebaut, bekannt gemacht und etabliert werden. Das alles quasi im Alleingang und ohne eine schlagkräftige Marketing-Abteilung im Hintergrund. So ungefähr um die Jahrtausendwende war es geschafft: Die Mode-Zeitschrift Vogue kürte die Rubis-Pinzette zur „Besten der Besten“ und die berühmte amerikanische Visagistin und Kosmetik-Unternehmerin Bobbi Brown erklärte, die Rubis sei „der Ferrari unter den Pinzetten“. Und die South China Morning Post verglich die Vielseitigkeit der Rubis Augenbrauen Pinzette gar mit dem legendären Schweizer Armeemesser „Rubis Pinzette sind wie ein Schweizer Armeemesser für Augenbrauen“. Zahlreiche Design-Preise und ein Duzend nationale und internationale Design-Preise - darunter reddot und iF Award - belegen die Wertschätzung der Design-Fachwelt für Rubis Produkte. 2001 wurde Fides Baldesberger in der Schweiz mit dem renommierten Unternehmerpreis von Ernst & Young ausgezeichnet. Kurze Zeit später berief man sie in den Verwaltungsrat der Swisscom. Offensichtlich hatte sie ein paar Sachen richtig gemacht. Offensichtlich waren sie und Rubis - against all odds - wie füreinander geschaffen.

Was aber auch zur Geschichte gehört
Wo es ein erfolgreiches Produkt gibt, sind die Kopisten nicht weit. Eine bekannte Marke erleichtert den Kampf dagegen, ist aber auf Dauer keine Garantie für nachhaltige Erfolge. Die gilt es immer wieder aufs Neue zu erarbeiten, mit interessanten Produktentwicklungen - längst sind es nicht mehr nur Pinzetten, sondern auch Scheren und anderes - und eine lebendige, der Zeit adäquaten Kommunikation. Fides Baldesberger nimmt diese Herausforderungen auch nach Jahrzehnten im Geschäft unermüdlich an. Sie hat Spass an der Weiterentwicklung ihres Unternehmens und ihrer Produkte. Und sie gehört nicht zu den Leuten, die sich so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen.

„Schönheit aus Funktion und als Funktion“
Wer die Produkte von Rubis betrachtet, insbesondere die von ihr selbst gestalteten, dem wird schnell klar: Fides Baldesberger ist eine Ästhetin. Sei seit jeher so gewesen, sagt sie. Sie liebt das Schöne und Authentische. Das erklärt ihr Interesse an Kunst, ihre Faszination für Edelsteine, ihre Begeisterung für einfache, in sich makellose Formen - wie sie etwa in Rubis-Pinzetten verkörpert sind. Auch Ihr Enthusiasmus für Architektur und Landscaping hat hier seine Wurzeln. In den letzten Jahren schuf sie zusammen mit dem international bekannten spanischen Landschaftsgestalter Fernando Caruncho in den Bergen oberhalb des Luganer Sees ein eindrucksvolles Gesamtkunstwerk aus Architektur und Landscape-Design, von dem noch zu hören sein wird.

Es braucht Jahre um ein zeitloses Produkt, einen Klassiker wie die Rubis-Pinzette zu entwickeln.
Die Ästhetik entsteht dabei wesentlich aus der Funktion. Aus der Perfektion, mit der die Pinzetten ihren jeweiligen Zweck erfüllen, aus der Präzision, mit der sie geschaffen wurden. Kleine, einfache Wunderwerke des Handwerks. Zum Thema Form und Funktion prägte der Schweizer Designer und Künstler Max Bill einen Satz, der sich wie eine Charakterisierung von Rubis Produkten liest: „Schönheit aus Funktion und als Funktion“. Schönheit als Funktion - das ist nicht allein für die Kosmetik-Sparte von Rubis relevant, sondern auch für die technischen Pinzetten. Ästhetik, sagt Fides Baldesberger, ist für uns fast eine moralische Verpflichtung. Denn die Nutzerinnen und Nutzer der Elektronik Pinzetten arbeiten oft den ganzen Tag mit diesen Instrumenten. Sie schätzen die Schönheit ihres Alltagswerkzeugs genauso wie die technische Kompetenz und seine praktische Qualität.

Die Ästhetik der Rubis Pinzetten ist anders gesagt ein entscheidender Teil ihrer Funktionalität.  Sie steigert die Freude am Objekt und die emotionale Bindung an die kleinen Werkzeuge. Wir Menschen ticken so. Unter völlig gleichartigen, aber verschieden farbigen Tassen, wählen wir intuitiv diejenige aus, deren Farbe uns aus unerfindlichen Gründen am besten gefällt und bleiben ihr in der Regel lange treu. Fides Baldesberger weiss das. Die zahlreichen Farb- und Mustervarianten vieler Rubis Pinzetten zeugen davon. Natürlich sind die Varianten eingeführter Modelle auch durch die Gesetze des Marketings motiviert: so generiert man im nach Neuigkeiten dürstenden Medienmarkt Aufmerksamkeit für ein Produkt, das im Kern ja nicht mehr neu erfunden werden kann.

Zum Jubiläum übrigens bringt Rubis als Sonderedition eine Pinzette mit eingelassenem Rubin heraus - eine Hommage an seine Geschichte und seinen Namen. Wenn man so will, lässt sich das auch als eine Hommage an die Gemmologin in Fides Baldesberger lesen.

Handwerkliche Tradition und Moderne
Die Outils Rubis wurde als stark handwerklich geprägte Manufaktur gegründet. Daran hat sich in sechs Jahrzehnten nicht viel verändert. Sicher, es gibt neue Maschinen und gewiss auch ein paar mehr als in den Anfangsjahren. Da und dort haben in die Produktion sogar moderne Industrieroboter Einzug gehalten. Ihr Einsatz ist nicht immer problemlos. Edelstahl, aus dem die Rubis Produkte gefertigt werden, ist ein wunderbares Material. Im Gegensatz zu einem völlig homogenen Kunststoff ist er in der Bearbeitung bisweilen aber auch eigensinnig, widerständig und schwer berechenbar in seinen Reaktionen. Roboter sind dann schnell einmal überfordert. Im Mittelpunkt der Produktion stehen in so fern noch immer die Mitarbeitenden, deren Know how, deren Freude an der Perfektion, deren Erfahrung und Feingefühl. Jedes Produkt geht durch viele sorgsame Hände, ehe es die Werkstatt verlässt. Am Ende, in der Visitage, wird es streng geprüft und erhält jenen Feinschliff, der Rubis Produkte so einzigartig macht. Präzision bedeutet hier alles. 

Swissness
Fides Baldesberger begreift dieses Streben nach Perfektion als im besten Sinn schweizerisch. Swissness ist bei ihr weit mehr als Lippenbekenntnis und Marketing.  Bei Rubis gehört sie zur DNA des Unternehmens. Alle Produkte sind 100% Swiss made vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt.

Alle Werte, die man mit "made in Switzerland“ verbindet - Innovation, Design, Qualität und Präzision - finden in den Rubis Produkten ihre Verkörperung. Das entspricht den Erwartungen an den Brand und schafft Vertrauen in der Marke.

Wie wird es weiter gehen bei Rubis - nach dem Jubiläum? Baldesberger ist optimistisch. So lange wir innovativ bleiben, steht uns die Zukunft offen. Qualität wird immer gefragt sein und dass die ihren Preis hat, begreifen die meisten Menschen. Nach so vielen Jahren, in denen es in der Welt nur noch um mehr und billiger zu gehen schien, hat sich in den letzten Jahren ein neues Bewusstein für Qualität und Nachhaltigkeit entwickelt. Das verbindet sich mit einer wieder gewachsenen Wertschätzung handwerklicher Arbeit was eine positive Entwicklung ist.